Egal ob man ihn nun mag oder nicht: Toast Hawaii ist ein Symbol für die Neuorientierung der deutschen Küche in den Fünfziger Jahren, und viele verbinden damit ganz einfach Kindheitserinnerungen. Erfunden hat ihn der erste deutsche Fernsehkoch Clemens Wilmenrod für eine seiner Sendungen im Jahr 1955. Wer oder was ihn zu diesem Gericht inspiriert hat oder ob er es vielleicht irgendwo abgekupfert hat – diese Frage konnte ich in meinem Buch noch nicht beantworten. Don Clemente selbst hat sich dazu nie geäußert.
Spam, der amerikanische Dosenschinken
Jetzt bin ich zufällig bei Kitchen Retro auf etwas gestoßen, das ich für das Vorbild des legendären Toast Hawaii halte, nämlich das “Hot Spamwich”. Diese Wortschöpfung setzt sich zusammen aus Spam und Sandwich, wobei Spam der Name eines amerikanischen Dosenschinkens ist, der unserem „Frühstücksfleisch” entspricht. Er wurde 1937 von der Firma Hormel auf den Markt gebracht und mit ganzseitigen Anzeigen in Zeitschriften und Rezeptheftchen beworben. Hier ist die Anzeige, die im November 1939 im Magazin LIFE erschien und die mich sofort elektrisierte (das Sandwich ist unten zu sehen):
Erinnert dieses “Hot Cheese Spamwich” optisch nicht verblüffend an unseren Toast Hawaii? Es wird auch ähnlich zubereitet, enthält aber zugegebenermaßen keine Ananas. Das Rezept dafür lautet übersetzt: „Zwei dünne Scheiben Spam auf Toast legen. Darauf kommen eine Scheibe Tomate, Bermuda-Zwiebeln (= milde rote Zwiebeln) oder Pickles sowie dünn geschnittener Käse. Im Ofen überbacken, bis der Käse schmilzt.” Hier das Ganze in Nahaufnahme aus einem Hormel-Rezeptheft, das ich bei Curly Wurly gefunden habe:
Das Cheese Spamwich hat noch nichts mit Hawaii zu tun. Aber das Rezeptheft, das laut Hormel auch 1939 erschienen ist (Mitteilung per Mail auf meine Anfrage), enthält noch weitere Vorschläge für Spam-Sandwiches – eines davon mit Ananas! Das Rezept: Spam-Scheiben auf gebutterten Toast legen, darauf Dosenananas, obenauf geriebenen Käse. In einem Grillgerät überbacken, bis der Käse schmilzt. Man kombiniere nun beide Spamwich-Varianten …
Kannte Wilmenrod das Spamwich?
Die Frage ist: Kannte Wilmenrod diese Rezepte? Das lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber es ist auf jeden Fall möglich, denn der gelernte Schauspieler lebte seit den 1930er Jahren in Wiesbaden, wo er auch seine Frau kennen lernte. Dort befand sich in der Nachkriegszeit ein wichtiger Stützpunkt der US-Armee, folglich lebten dort sehr viele GIs. Und Hormels Spam war ein ganz wesentlicher Bestandteil ihrer Kantinenkost; es gab damals eigentlich kaum ein Gericht der US-Truppen, das ohne den Dosenschinken auskam.
Das Tollste: Weil Hawaii im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Versorgungsstützpunkt der Amerikaner war, gewöhnten sich die Einheimischen so sehr an dieses Produkt, dass es heute aus der dortigen Küche nicht mehr wegzudenken ist. Die Insel hat weltweit den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an eingedostem Schweinefleisch. Es gibt sogar spezielle Kochbücher mit Titeln wie “Hawaii cooks with spam”, geschrieben von Hawaiianern. Vermutlich essen sie dort auch Sandwiches mit Ananas und Spam …
Dass das Spamwich wirklich das Vorbild für Wilmenrods Toast Hawaii war, kann ich nicht beweisen. Die große optische Ähnlichkeit spricht aber durchaus dafür.
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"Entdeckt: Spamwich – das Vorbild für Toast Hawaii?" was originally posted by Petra Foede on Kaffeeklatsch. All rights are reserved by the author.